Das Gedachte oder das Denken lernen? - Das Gedachte und das Denken lernen!
Zur Orientierung an Phänomenen und Problemen im Philosophieunterricht

Authors

  • Urs Leander Tellkampf

Abstract

Zusammenfassung. Der für die Waldorfpädagogik charakteristische anschauliche und lebensnahe Anspruch stößt in der Philosophie auf eine Disziplin, deren ureigene Domäne das abstrakt-begriffliche, reflexive Denken ist. Als potentiellen Mittelweg zwischen diesen beiden Gegensätzen behandelt der folgende Aufsatz v.a. zwei Ansätze:
Orientierung an Phänomenen: Im Anschluss an Edmund Husserl werden lebensweltliche Phänomene unter der Maßgabe betrachtet, von jeglichem Vorwissen abzusehen und „zu den Sachen selbst“ vorzustoßen. Entscheidend ist das subjektive Bewusstsein in seinem Bezug auf etwas, so dass sich beispielsweise aus der reinen Wahrnehmung eines Löwen in der Menagerie endlos viele Horizonte eröffnen und weiterführende Fragen aufgeworfen werden können.
Orientierung an Problemen: Nicolai Hartmanns Interpretation der philosophia perennis meint die Auseinandersetzung mit den überdauernden existentiellen Problemen und Fragen der Menschheit. Diese mögen von der Antike bis in die Gegenwart philosophisch jeweils anders gestellt, reflektiert und beantwortet worden sein, ihr Kern ist jedoch derselbe geblieben. Philosophisches Denken ist mithin aufgefordert, auf fertige und ein für allemal fixierte Lösungen oder Systeme zu verzichten. Die Konsequenz für den Philosophieunterricht ist eine Hinwendung zu lebensweltlichen Teilproblemen, etwa der Gerechtigkeitsfrage und ihren realistischen Lösungsmöglichkeiten, anstatt Allgemeinbegriffe in ihrer historisch-systematischen Fülle erschöpfend klären zu wollen.
Die formale und inhaltliche Offenheit beider Ansätze ist zudem eine gute Grundlage, um den Philosophieunterricht mit der immer populärer werdenden Portfolio-Kultur zu verbinden. Der Arbeit mit Portfolios kommen Husserl und Hartmann insofern entgegen, als es für beide Denker keine subjektunabhängige Erkenntnis geben kann. Das aber entspricht den Forderungen der Portfolio-Verfechter, dieses Arbeitsmittel als wesentlichen Beitrag zur Überwindung des jahrhundertealten Subjekt-Objekt-Dualismus ernst zu nehmen.

Schlüsselwörter: Philosophieunterricht, Didaktik. Waldorfpädagogik, Denken, Gedachtes, Phänomenologie, Schluss, Urteil, Begriff.

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Fundamentals / Grundlagen / Peer Reviewed Articles