Shared Intentionality: Bewusstseinsphänomenologische Konzeption und waldorfpädagogische Implikationen

Authors

  • Johannes Wagemann

Abstract

Geteilte Intentionalität (shared intentionality) gilt als Schlüsselaspekt zum Verständnis sozialer Beziehungsbildung. Anthropologische Studien zeigen, dass Kinder schon sehr früh damit beginnen – anders als z. B. Affenbabies –, im Modus geteilter Intentionalität (z. B. mittels der Zeigegeste) auch solche sozialen Beziehungsformen aufzubauen, die über die Befriedigung biologischer Bedürfnisse hinausgehen. Statt, wie heute meist üblich, davon auszugehen, dass kleine Kinder lernen müssen, Sinnstrukturen nach und nach aus zusammenhanglosen Reizen zu generieren, lässt sich die früh auftretende ko-intentionale Fähigkeit aus waldorfpädagogischer Perspektive durch eine ursprünglich holistische Bewusstseinsverfassung des Kindes erklären. So gesehen kann der mentale Zustand von Kindern nicht durch einen Mangel an Sinnstruktur charakterisiert werde, sondern vielmehr durch das Streben, passende Bedeutungsmuster aus ihrer holistischen Verfassung herauszulösen und an erfahrungsmäßig auftretenden Bruchstellen zu individualisieren, um die Welt zu erkunden und soziale Beziehungen aufzubauen. Vor diesem Hintergrund werden psychologische und philosophische Modelle diskutiert, um zu einer angemessenen Konzeption des Phänomens geteilter Intentionalität zu gelangen. Weiterhin scheint bei Kindern die zur kognitiven Distanzierung von Objekten erforderliche Aktivität in direkter Konkurrenz zu den vitalen Ressourcen zu stehen, die ein gesundes körperliches Wachstum ermöglichen. Als pädagogische Herausforderung folgt daraus, intellektuelle und abstrahierende Kompetenzen nicht zu früh bei Kindern anzuregen oder zu erzwingen. Stattdessen ist nach Wegen zu suchen, wie sich altersangemessene Formen von Sinnstrukturen in der Kommunikation und Interaktion mit Kindern finden bzw. im Umgang mit geeignetem Material evozieren lassen, um eine psychisch und physiologisch gesunde Entwicklung zu fördern.

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Fundamentals / Grundlagen / Peer Reviewed Articles